Dann und wann, hin und wieder, gerade so oft, dass sie etwas ganz Besonderes sind, erscheinen im AppStore regelrechte Spiele-Juwelen. Solche, die uns mit wunderschönen Grafiken, einer bezaubernden Atmosphäre, tollem Sound und großartigem Gameplay ans Smartphone fesseln. Wir lassen uns fallen, tauchen ab in fremde Welten, retten Prinzessinnen, befreien ganze Völker und bringen einen Schurken nach dem anderen zur Strecke. Und das alles nicht etwa auf dem Sofa vor Fernseher und Spielekonsole oder dem Computer-Bildschirm wir stecken unsere Abenteuer einfach in die Hosentasche und nehmen sie mit in die Bahn, zur Arbeit und in die Uni. Wir schauen uns verdammt viele Spiele an und sind jedes Mal aufs Neue gezwungen, einen möglichst objektiven Maßstab bei der Bewertung anzulegen. Äußerst selten können wir uns am Ende dazu durchringen, eine saubere 10 zu vergeben. Und das aus gutem Grund, denn eigentlich möchte man sich nach Oben hin immer ein wenig Platz lassen – könnte ja sein, dass da demnächst ein echter Kracher um die Ecke kommt. So ein Juwel, ein Meilenstein, der Maßstäbe setzt, ein Titel der die 10 wirklich verdient! „Horn“ könnte so ein Spiel sein

-b1-Das Spiel verdankt seinen Namen dem mutigen Protagonisten Horn, ein Junge auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Ohne Erinnerung, was genau passiert ist, wacht ihr in einem zerfallenen Turm auf und findet unmittelbar danach eine Art Musikinstrument und einen mysteriösen Kristall. Welchen Nutzen beides hat, wollen wir ungern vorwegnehmen, um euch die Story und das Spielerlebnis nicht zu vermiesen, denn beides kann sich wirklich sehen lassen! Hier stolperten wir übrigens über eine Kuriosität in „Horn„, denn die eigentliche Geschichte, neben kurzen Zwischensequenzen auch in Form von Tagebucheinträgen erzählt, hat eine gelungene deutsche Übersetzung bekommen. Menütexte und Hinweise im Spiel aber lesen sich, als ob sie direkt aus dem Google-Übersetzer entstammen Das gab manches Mal Grund zum Kopfschütteln oder das eine oder andere Grinsen.
Doch die Geschichte allein macht noch kein gutes Spiel aus – ähnlich wichtig ist die Präsentation, denn durch sie erzeugen die Entwickler etwas, dass gute von großartigen Titeln unterscheiden kann: Atmosphäre. Und davon ist in Horn eine ganze Menge vorhanden! Bereits nach wenigen Minuten des Umherlaufens und Erkundens zieht euch, vorausgesetzt ihr seid nicht komplett emotionslos und gefühlskalt, die wundervolle Welt von Reynes in ihren Bann und lässt euch so schnell nicht mehr los. Die Spieldauer soll bei ungefähr 10 Stunden liegen. Ihr nehmt uns hoffentlich nicht übel, dass wir das nicht auf die Sekunde genau nachgemessen haben. Der Umfang ist aber wirklich groß.
-b2-Weil wir einerseits die Story nicht vorwegnehmen wollen und andererseits ein riesiger Teil der Faszination, die „Horn“ ausmacht, der Atmosphäre zugeschrieben werden muss, werden wir den Grafik- und Soundabschnitt etwas umfangreicher gestalten als sonst und uns im Hauptteil auf die wichtigsten Features des Titels begrenzen. Im Spiel könnt ihr relativ frei durch die Welten streifen, die sich euch nach und nach auftun. Innerhalb der einzelnen Abschnitte gibt es aber durchaus einen linearen Weg, der euch zielstrebig an der Geschichte entlangführt. Die Entwickler spielen gewissermaßen mit der Illusion von Freiheit, führen euch aber geradlinig ans Ziel. Diese Mischung funktioniert hervorragend.
Eines der wichtigsten Features ist sicherlich das Kampfsystem. Trefft ihr auf einen Gegner, gilt es, ganz im klassischen Stile eines Bosskampfes, dessen Schwachpunkt zu finden und diesen bis zum Abwinken zu attackieren. Zwischendurch müsst ihr durch gut getimte Bewegungen den Angriffen des Gegenübers rollend oder springend ausweichen. Mit Hilfe von Bomben lassen sich Gegner betäuben und so kurzzeitig kampfunfähig machen. Werdet ihr getroffen, füllt ihr euren Gesundheitsbalken mit einem kräftigen Schluck Heiltrank wieder auf. Die Kämpfe erinnern dabei stark an „Infinity Blade„, haben aber durch die erweiterten Möglichkeiten letztlich etwas mehr Tiefe und machen verdammt Spaß.
-b3-Die Prügeleinlagen wechseln sich mit zeitweiligen Rätseln und Puzzeln ab. Diese werden euer Gehirn selten so richtig ins Schwitzen bringen, bleiben aber stets motivierend und kurzweilig. Wir wären jedoch kein ernstzunehmendes Spielemagazin, wenn wir nicht unserer Aufgabe nachkämen, knallhart und journalistisch investigativ an solche Titel heranzugehen. Deswegen muss sich „Horn“ auch von uns vorwerfen lassen, dass sich die Rätsel nach einiger Zeit immer wiederholen. Doch das ist im Prinzip nur ein vergleichsweise kleiner Wehrmutstropfen auf den heißen Stein. Ein weiteres Feature ist das Herstellen und Verbessern von Gegenständen. Auf eurer Reise entdeckt ihr immer wieder Entwürfe von neuen Schwertern, Äxten und Kriegshämmern, aber auch magische Amulette, die ihr dann, vorausgesetzt, ihr habt genug Pygik-Kristalle gesammelt, in der Schmiede erschaffen könnt. Der Held des Spieles ist nämlich ein geschickter Bengel im Umgang mit Hammer und Amboss und weiß genau was er tut. Es lassen sich Feuer und Eis-Verzauberungen in die Waffen schmieden und für zugegebenermaßen ziemlich viel Asche dürft ihr Horn sogar in neue Kleider schlüpfen lassen.

-b4-ATMOSPHÄRE wird bei Horn ganz groß geschrieben! Neben der tollen Geschichte trägt die Grafik einen beachtlichen Teil dazu bei! Ihr erkundet eine wunderschöne Welt voll von mit Dickicht überwucherten Ruinen, munter vor sich hin sprudelnden Bächen und hochhaushohen Monstern. Durch die Bäume glitzernde Sonnenstrahlen, hübsche Partikeleffekte und großartige Animationen sorgen für offene Münder und in der Nacht prangen Mond und Sterne am Himmel und tauchen Reynes in ein schummrig schönes Licht. Phosphor Games Studio hat einen tollen Job gemacht und eine Welt erschaffen, die zum traumwandeln einlädt! Soviel Schönheit hat ihren Preis: Natürlich die 5,49 € beim Download, doch mit denen ist es nicht getan. Wer kein neues iPad oder mindestens das iPhone 4s sein Eigen nennen kann, der muss bei der Grafik Abstriche machen. Kanten sehen dann gröber aus und Effekte kommen ein wenig abgespeckt daher. Dennoch sieht „Horn„, um ein klares Urteil zu fällen, schlichtweg atemberaubend schön aus. Kurze Ruckler oder nicht ganz perfekte Stellen in Form von kleinen technischen Problemchen ändern daran nichts.

Einen mindestens genauso großen Teil der Atmosphäre macht der Sound aus. PS3-Besitzern mögen vielleicht noch die großartige Musik aus dem Download-Titel „Journey“ im Kopf haben. Komponist Austin Wintory ist auch für den Soundtrack in „Horn“ verantwortlich und hat etwas Wundervolles geschaffen. Ein großes Lob geht ohne Frage auch an die Synchronisierung des Titels. Das Spiel gibt es zwar nur mit englischer Original-Sprachausgabe, doch die ist auf hohem Niveau. Und das ist man gerade, wenn es um iOS-Titel geht, leider nicht immer gewohnt! Wenn ihr durch die verfallenen Ruinen des Ortes Cuthbert streift, im Hintergrund ein meterhohes Wesen entlang stapft und euch dazu die stets zur Situation passenden Klänge ins Ohr säuseln, dann entfaltet sich der Zauber von „Horn„!

-b5-Den mutigen Protagonisten steuert ihr – etwas gewöhnungsbedürftig – nicht mit einem virtuellen Steuerkreuz, sondern per Point & Click. Tippt einfach auf den gewünschten Fleck am Boden, wo ihr euch hinbewegen wollt. Horn macht sich dann umgehend auf den Weg dorthin. Per Swipe-Bewegungen balanciert ihr entweder an Abgründen entlang, zerhackt den Weg versperrendes Gehölz oder führt Schlag um Schlag gegen die euch in zahlreichen Kämpfen gegenüberstehenden Monster. Springen tut Horn von allein, lediglich beim Greifen von Kanten und dem Hochziehen an selbigen müsst ihr ihm mit kurzen Taps und Wischgesten helfen. Das Herumlaufen hakt manchmal etwas, wenn man nicht genau genug tappt, ist insgesamt aber nicht schlecht gemacht. Trotzdem hätten wir uns die für ein Adventure unserer Meinung nach passende Steuerkreuz-Steuerung gewünscht, da es dann noch etwas einfacher und einladender wäre, die wunderschöne Spielewelt zu erkunden.

Ist „Horn“ nun eines der besagten Juwelen, ein Meilenstein der iOS-Geschichte? Nein und ja. Das Action-Adventure hat einerseits mit ganz ordinären Problemchen zu kämpfen, wie sich zu oft wiederholende Gameplay-Elemente, schafft es aber auf der anderen Seite, uns stundenlang in eine fremde Welt voller Wunder und Gefahren zu entführen. Die Grafik ist bis auf wenige Problemstellen zweifelsohne großartig, der Sound ist bezaubernd und die Geschichte bestechend. Die ein wenig als Mix des Spieleklassikers „Zelda“ und des iOS-Erfolgsspieles „Infinity Blade“ daherkommende Universal-App sticht weit aus dem endlosen Einheitsbrei im AppStore heraus und wird schon jetzt vielfach als das mit Abstand beste iOS-Spiel des Jahres betitelt. Dem können wir uns trotz kleiner Schwächen guten Gewissens anschließen und vergeben nach langer Zeit wieder einmal unsere Höchstnote.