Videospiele sind ein Kulturgut wie Bücher und Filme. Doch sind sie auch Kunst? Während immer mehr Museen Games in ihren Ausstellungen aufgreifen, bleiben Kritiker hartnäckig anderer Ansicht. Sind Spiele eine Form zeitgenössischer Kunst oder haben sie einfach nur einen Kunstcharakter?

Eine schwarz-weiße Hügellandschaft, darin Bäume, die an Treibholz erinnern, und schwebende Häuser. Zu einer unheimlichen Musik steuert der Spieler eine schwer atmende Figur in Ego-Perspektive. Immer wieder trifft man auf Ansammlungen farbiger Blöcke. Diese Blöcke repräsentieren Erinnerungen des Künstlers Alan Kwan. Das Spiel mit dem Namen „Bad Trip“ ist Kwans virtueller Erinnerungsraum, in dem er alle seine Erlebnisse und Träume hinterlegt.

Alan Kwan ist ein junger Künstler und Absolvent der University School of Creative Media in Hong Kong. Kwan ist ein LifeLogger. Über ein Jahr lang trug er eine Videokamera an seiner Brille und nahm jeden Moment seines Lebens auf Video auf. Aus dieser digitalen Datenbank schuf er mithilfe einer VR-Software eine virtuelle Vorstellungswelt, in der Spieler seine Erinnerungen und Träume betrachten können.

Games mit Kunst-Charakter und Kunst mit Game-Charakter
Um Kunst und Videospiele zusammenzubringen, gibt es mehrere Ansätze. Einerseits gibt es Spiele mit eindrucksvoller Ästhetik wie Journey oder Skyrim. Doch es gibt dabei einen entscheidenden Unterschied zu reiner Kunst: Bei Spielen steht das Spiel im Vordergrund und nicht der Aspekt der Kunst. Es sind also Games mit Kunstcharakter, nicht Kunst mit Game-Charakter.

Wann sind Games moderne Kunst?
2012 kaufte das MoMa, eins der wichtigsten Museen für moderne Kunst, vierzehn Videospiele für die Abteilung „Architektur und Design“, um sie in einer Dauerausstellung zu präsentieren. Zu den Spielen gehören unter anderem Space Invaders, Pong, Pac-Man und Tetris.

Die Ausstellung im MoMa löste eine Diskussion darüber aus, ob es legitim sei, Pac-Man und Tetris zusammen mit Van Gogh und Picasso auszustellen. Ein Kritiker entrüstete sich darüber im Guardian und schrieb, dass Kunst aus persönlichen Eindrücken des Künstlers entstehe. Ein Kunstwerk sei die Reaktion des Künstlers auf Ereignisse in seinem Leben. Die Spiele seien keine Kunst, weil ihnen der persönliche Aspekt fehle.

So leicht lässt sich das Thema aber nicht abhaken: Während Pac-Man und Tetris vielleicht nicht die persönlichen Erlebnisse und Eindrücke eines Künstlers repräsentieren, gibt es keinen Grund, warum Künstler das Medium Videospiel nicht genauso wie das Medium Film oder Fotographie verwenden könnten.

So nimmt Alan Kwan die Spieler mit auf eine immersive Reise durch seine persönlichsten Erlebnisse und stellt nicht den Aspekt des Spielens und auch nicht die Ästhetik in den Vordergrund, sondern seine Erinnerungen.

Interaktive audiovisuelle Installation
Sobald ein Videospiel Kunst sein soll, wird es für gewöhnlich als„interaktive audiovisuelle-Installation“ bezeichnet. Ein Vertreter dieses Genres ist der japanische Künstler Ryota Kuwakubo. Sein Werk „loopScape“ ist ein Spiel auf einem zylinderförmigen Bildschirm. Zwei Spieler steuern Raumschiffe über den 360-Grad-Bildschirm und feuern aufeinander. Dabei müssen sich die Spieler immer um den Bildschirm bewegen und laufen Gefahr, ihr eigenes Schiff zu treffen, sollte ihr Geschoss das gegnerische Schiff verfehlen.

Kuwakubo sagt, er wolle in diesem Spiel körperliche und virtuelle Aspekte zusammenbringen und dadurch zeigen, wie die beiden Welten sich gegenseitig beeinflussen. Spieler können das virtuelle Geschehen nicht nur beeinflussen, indem sie im virtuellen Raum auf das andere Schiff schießen, sondern auch, indem sie ihren Gegner physisch im realen Raum daran hindern, in der virtuellen Welt anzugreifen.

Ein weiteres Beispiel für eine interaktive, audiovisuelle Installation ist Alan Kwans „Alien Abduction Simulator“. Hier legt sich der Spieler mit einer VR-Brille auf ein Bett und taucht in einer Installation, die an alte Science-Fiction-Filme erinnert, in ein immersives Ganzkörpererlebnis ein. Er kann die siebenminütige Geschichte nicht nur sehen, sondern mit einem elektrischen Muskel-Stimulator direkt erleben.

Was macht man damit?
Wenn Werke wie die von Kwan oder Kuwakubo Kunst sind, wie sollen sie dann präsentiert werden? Der beste Raum für Videospiel-Kunst sind kleinere, zeitgenössische Galerien, die ein junges Publikum anlocken. Die Galerie Gmurzynska Zürich ist ein Beispiel für eine solche Galerie.

Doch auch größere Museen haben Videospiele als Kunstform anerkannt. Das Smithsonian Museum in Washington D.C., ein Museum für amerikanische Kunst, organisierte 2012 eine Ausstellung unter dem Titel „The Art of Video Games”. Zu den ausgestellten Spielen gehören unter anderem Final Fantasy VII und Minecraft. Eine solche Ausstellung hat allerdings eher einen dokumentierenden Charakter, durch den das Spiel zum Kulturgut, nicht zum zeitgenössischen Erlebnis-Kunstwerk wird. Werke wie Kwans BadTrip können zeitgenössischen Galerien hingegen eine spannende, neue Form der Installation bieten.

Kritiker wird es immer geben. Die gibt es auch für das Rote Quadrat von Malewitsch und das Blue Monochrome von Yves Klein. Was hingegen niemand bestreiten kann: Videospiele sind ein Medium, durch das Künstler ihre Erlebnisse und Eindrücke darstellen und auf ganz neue Weise teilen können. Wir können also damit rechnen, dass sie nicht so bald aus den Museen verschwinden werden.