Rovio – dieser Name steht für hinterhältige Schweine, verärgerte Vögel und jede Menge Spielspaß! Angry Birds ist – und bleibt wahrscheinlich auch bis auf weiteres – das iOS-Game schlechthin. Millionenfache Downloads, zahllose Updates mit neuen Level und Sequels, von denen eines die geflügelten Viecher sogar bis in den Weltraum schickte, zeugen von der unglaublichen Erfolgsgeschichte der Vögel. Jetzt stellen wir uns aber mal folgendes vor: Jeder kennt das Phänomen des überhörten Songs oder die schnell schwindende Begeisterung über ein anfänglich tolles Spiel. Wie schlimm muss das erst für die Jungs (und Mädels) sein, die sich tagein tagaus mit eben demselben Song oder Spiel beschäftigen, weil sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen?! Die finnischen Entwickler jedenfalls sagen vorerst „ByeBye“ zum Federvieh und „Hallo“ zu einem intelligenten, pfiffigen Blondschopf namens Alex, seines Zeichens begeisterter Hobbytüftler und Kettenreaktionen-Konstrukteur. Der neueste Streich aus dem Hause Rovio und das erste Spiel nach „Angry Birds“ namens „Amazing Alex“ tritt ein brutal schweres Erbe an, denn die Erwartungen sind denkbar hoch. Ist Alex tatsächlich ‚amazing‘ oder würden wir den Nerd am liebsten an seiner Unterwäsche am Fahnenmast aufhängen?

-b1-Die Idee hinter „Amazing Alex“ ist keineswegs neu. Bereits in zum Beispiel Crazy Machines mussten wir durch kluges Platzieren verschiedener Gegenstände Kettenreaktionen auslösen und goldene Schraubenmuttern einsammeln. Anstelle der Schraubenmuttern sind hier in jedem Level 3 goldene Sterne gerückt. Ansonsten unterscheiden sich die beiden Physik-Puzzler im Grunde aber nicht großartig. In „Amazing Alex“ reicht es jedoch nicht nur alle Sterne einzusammeln. Oftmals müssen auch einer oder mehrere Bälle in einen Wäschekorb oder Eimer befördert werden, um das Level erfolgreich zu beenden, die Sterne sind eher Beiwerk und schalten nur weitere Levelpacks frei.
-b2-Zu Beginn ist das alles noch sehr einfach, denn dies ist das Tutorial. Euch wird angezeigt, wo genau ihr ein Regalbrett platzieren müsst, sodass der Fußball nach einem Fingertipp auf den Play-Button oben rechts in der Ecke schnurstracks in den Wäschekorb rollt und auf seinem Weg alle Sterne einsammelt. Doch je weiter ihr voranschreitet, desto happiger wird der Schwierigkeitsgrad. In eurer Werkzeugkiste am Boden des Bildschirmes findet ihr nach und nach Abflussrohre, Scheren, Ballons, Kisten, Bowlingkugeln und vieles mehr. Mit all diesen insgesamt 35 verschiedenen Gegenständen müsst ihr dann funktionierende Kettenreaktionen auslösen. Das funktioniert zugegebenermaßen auch größtenteils sehr gut. Gerade in weiter fortgeschrittenen Spielabschnitten müsst ihr manches Mal eine gehörige Portion Hirnschmalz bemühen, um einen Ansatz für die liebevollen Physikrätsel zu finden und diese dann auch erfolgreich zu lösen.

-b3-Vorausgesetzt, ihr bleibt überhaupt solange am Ball, denn der Grund, aus dem „Angry Birds“ so süchtig macht, geht „Amazing Alex“ leider etwas verloren. Ist Physik nämlich nicht gerade eure Leidenschaft, könnte es euch passieren, dass sich die Motivation beim Rätsellösen in Grenzen hält. Weder gibt es einen hassenswerten Antagonisten, den es zu besiegen gilt, noch irgendeine nennenswerte andere Motivation, aus der heraus ihr eine Kettenreaktion nach der anderen auslösen wollt. Es könnte so großartig sein, wenn man minutenlang an einem Plan getüftelt, Teile wieder verworfen und neu erdacht hat, dann auf den Play-Button drückt, man sich genüsslich zurücklehnt und zuschaut, wie die Kettenreaktion genau so abläuft, wie man es wollte. Doch in diese Situation kommt man einfach zu selten, denn zu oft geht am Ende alles viel zu schnell. Die Befriedigung bleibt – zumindest nach unserer Meinung – irgendwie etwas auf der Strecke.

Doch wer trotzdem Gefallen am Getüftel findet, der ist, was den Spielumfang angeht, bestens versorgt. 100 Level stehen euch nach Erwerb des Spieles zur Verfügung, unzählige mehr dürften es aber im Laufe der Zeit noch werden, denn „Amazing Alex“ verfügt über einen eigenen Level-Editor. Bereits jetzt gibt es tausende von Usern kreierte Ideen zum Herunterladen und Ausprobieren. Der Kreativität ist dabei im Grunde lediglich durch die Auswahl der Gegenstände Grenzen gesetzt. Das Herunterladen funktioniert anstandslos und innerhalb weniger Sekunden. Das sorgt für klare Pluspunkte auf unserer Bewertungsskala.

Die Grafik ist, wie man es von Rovio erwartet, gut. Die HD-Version ist für das Retina-Display des neuen iPads optimiert und sieht gestochen scharf aus, doch auch die „kleinen“ Ableger des Spieles sind hübsch anzuschauen. Das war’s, mehr erwarten wir aber auch nicht von einem Physik-Puzzler.
Der Sound ist ebenfalls okay. Die Effekte sind solide und nerven nicht, die eigens für das Spiel komponierte Musik empfängt euch im Menü mit rockigen Sounds. In den Level gibt es dann betont zurückhaltendes und beinahe schon entspannendes Gedudel im Hintergrund. Zum Nachdenken und Tüfteln ist das sicherlich passend, anderswo schlafen einem da schon mal die Füße ein.

Die Steuerung funktioniert anstandslos. Aus dem Werkzeugkoffer zieht ihr den gewünschten Gegenstand auf die Position eurer Wahl und könnt dann je nach Objekt die Ausrichtung um 360 Grad anpassen oder auch spiegeln. Ein Tap auf den Play-Button lässt die Reaktion starten und ihr könnt euch ansehen, ob bereits alles so funktioniert, wie ihr es euch vorgestellt habt, oder noch Verbesserungsbedarf besteht.

Amazing Alex tritt ein schweres Erbe an. „Angry Birds“ ist leichter zugänglich, schneller, bunter, motivierender, actionreicher. Doch für das, was der neue Physikpuzzler aus dem Hause Rovio sein möchte, macht er einen wirklich soliden Job. Nicht mehr und nicht weniger. Grafik, Sound und Steuerung stimmen, 100 Level sind ein guter Umfang und der Editor sorgt für Spielumfang ohne Ende, quasi als Tüpfelchen auf dem „i“. Trotzdem mag das Erbe der wütenden Vögel etwas zu schwer wiegen…